Swiss Made ist bares Geld wert. Zumindest in der Uhrenindustrie. Aber ist das, was für Feinmechanik am Handgelenk gilt, auch für Software wahr? Vor zehn Jahren hätten mich da noch ernste Zweifel beschlichen. Mit Schweizer Software verband ich damals in erster Linie mehr gebastelt als professionell wirkende Branchenlösungen für allerlei gewerbliche Spezialbedürfnisse.
In der Zwischenzeit hat sich dies grundlegend geändert. Die meisten der besagten Branchenbasteleien der ersten KMU-Digitalisierungswelle haben das Ende ihres Lebenszyklus hinter sich gebracht. Schweizer Hersteller machen heutzutage in der Regel technisch saubere Lösungen. Die wachsenden Ansprüche der Kunden und die internationale Konkurrenz lassen ihnen keine andere Wahl. So gesehen ist Swiss Made Software heute durchaus ein Qualitäts-Label. Allerdings keines, welches das Produkt von Lösungen anderer Provenienz entscheidend abheben würde.
Heimatschutz ist grotesk
Spielt demnach die Swissness beim Software-Kauf keine Rolle? Auch wenn der Einzelfall wie fast immer der Verallgemeinerung widerspricht, lautet für mich die Antwort: Swiss Made ist durchaus ein Kaufgrund! Dabei geht es nicht um Heimatschutz. In einem Land, das dermassen stark vom Export abhängig ist und angesichts der Tatsache, dass die den Lösungen zugrunde liegenden Frameworks sowieso internationale Produkte sind, wäre dies geradezu grotesk. Es geht vielmehr um puren wirtschaftlichen Pragmatismus.
Business-Software ist nicht einfach ein Gerät, das man kauft und dann mit den passenden Netzadaptern problemlos überall auf der Welt betreiben kann. Business-Software muss praktisch immer an die Geschäfts- und Rechtsgepflogenheiten des Landes und an die spezifischen Prozesse des einzelnen Unternehmens adaptiert werden. Diese Anpassungen bedingen fast zwingend einen lokalen Partner.
Lokale Features und funktionale Wünsche
Über solche verfügen selbstverständlich auch die internationalen Hersteller. Was sie aber nur in den seltensten Fällen bieten, ist eine lokale Entwicklungsabteilung – und die kann den entscheidenden Unterschied ausmachen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Ein Schweizer Hersteller konzentriert sich automatisch auf die Features und Abläufe, die hierzulande benötigt werden. Vor allem aber ist die Chance, dass die funktionalen Wünsche eines helvetischen Mittelständlers in eine kommende Version einfliessen, ungleich höher, wenn die Entwicklungsabteilung in X-likon und nicht im deutschen Walldorf oder in Kalifornien respektive gar Mumbai sitzt.
Das hat erstens damit zu tun, dass mit der geografischen Distanz die Verbindlichkeit einer Kundenbeziehung abnimmt und zweitens damit, dass Schweizer KMU für internationale Software-Konzerne Kleinstvieh sind, auf das man bestimmt nicht die Dimensionierung des ganzen Geheges ausrichtet. Im Gegensatz dazu sind sämtliche Schweizer Hersteller selber KMU, was der gegenseitigen Verständigung nur gut tut.
Kleine sind fokussierter und engagierter
Hinzu kommt ein weiteres Phänomen: Grosse Hersteller haben zwar immer alle Hype-Features sofort in ihre Produkte eingebaut und bringen sie dann auch irgendwie zum Laufen. Wirklich gut gemacht ist das aber selten. Wenn das «Wall Street Journal» vor Kurzem konstatierte, dass in letzter Zeit auch Grosskonzerne wieder vermehrt bei kleinen ICT-Anbietern einkaufen, hat dies auch damit zu tun. Kleine Hersteller sind fokussierter, haben engagiertere Mitarbeitende und investieren in der Regel bedeutend mehr Energie in die erfolgreiche Umsetzung der konkreten Projekte als in marketingwirksame, aber im Arbeitsalltag begrenzt nützliche 3D-Reporting-Visualisierungen oder Social-Media-Zauberknöpfe.